Ab und zu gehe ich mit einem kleinen Jungen spazieren. Es ist
ein phantasiebegabtes kleines Kerlchen und wir lachen viel
miteinander. Wenn das Wetter es erlaubt, macht es ihm
großen Spaß, in den Wolkenformen alle möglichen Gestalten
zu erkennen. Es ist ein faszinierendes Spiel für mich
(vielleicht, weil ich Psychologe bin), und ich spiele es gern mit
ihm. Eines Tages zeigte ich ihm eine Wolke und fragte:
"Schau, die Wolke dort, sieht das nicht aus wie ein Delphin
auf einem Motorrad?" Während er zu der Wolke schaute,
betrachtete ich ihn mir (ich betrachte ihn gern, wenn er sich
unbeobachtet fühlt) - und sein Gesichtsausdruck erinnerte
mich in dem Moment an eine Klientin, die vormittags zu einer
astrologischen Beratung in meiner Praxis gewesen war: Als ich
der Klientin eine bestimmte Konstellation ihres Horoskops
erläutert hatte, mit der sie auf Anhieb nicht so viel anfangen
konnte, da hatte sie auch diesen Gesichtsausdruck, während
sie meine Deutung nachzuvollziehen versuchte. |
Während Sebastian in meiner Wolke eher ein
stromlinienförmiges Kamel im Galopp zu erkennen meinte,
hatte ich meine Klientin, die Autorität des Kosmos im
Rücken, mit meiner Sicht ihrer Seele offensichtlich mehr
beeindrucken können: Sie war sehr nachdenklich geworden.
Ich wurde damals auf diesem Spaziergang sehr nachdenklich ...
Die Ähnlichkeit des Gesichtsausdrucks, die ich bei Sebastian
und meiner Klientin zu erkennen meinte, brachte mich auf
einen Gedanken.
Seit mehr als 10 Jahren beschäftigt mich die Frage, wie es
zusammenpaßt, daß wir Astrologen in der Beratung unsere
Klienten immer wieder so beeindrucken können, daß ich
selbst immer wieder dieses intensive Gefühl von
"Stimmigkeit" bei der Deutung von Horoskopen habe (ich
nenne es Evidenzgefühl), daß aber jeder Versuch, diese
Stimmigkeit in wissenschaftlichen Untersuchungen zu
objektivieren, bisher gescheitert ist.
|
Ich selbst bin schließlich
vor 10 Jahren, als ich meine Dissertation abschloß, bei diesem
Versuch "grandios gescheitert". Sie verzeihn das Wort
"grandios", aber immerhin habe ich damals 12.000 16-seitige
Fragebögen mit jeweils über 500 Fragen versandt, und meine
Studie war vom Umfang her (übrigens auch von der im
Rechenzentrum benötigten Rechenzeit her) die größte Studie,
die jemals am Psychologischen Institut der Universität
Freiburg durchgeführt worden war. - Und es ist mir nicht
gelungen zu zeigen, daß widder- oder stierbetonte Menschen
sich auch selbst so empfinden, wie es der Bedeutung der
Tierkreiszeichen entspricht - zumindest haben sie in dem
Fragebogen nicht so geantwortet.
Kollegen hatten damals für dieses Scheitern schnelle
Erklärungen parat, so wie sie auch heute für das Scheitern
immer wieder neuer Studien immer wieder solche Erklärungen
parat haben: Wissenschaftliche Methoden, speziell statistische
Methoden, seien eben ungeeignet, den Wahrheitsgehalt der
Astrologie zu prüfen. | ||
weiter zurück zur Textübersicht zur Startseite |
||||
Diese Kollegen scheinen nicht zu
merken, in welche Widersprüche sie sich damit verstricken,
denn im nächsten Einführungsseminar zur Astrologie
behaupten sie wahrscheinlich, wasserzeichen-betonte
Menschen seien emotionaler als luftzeichen-betonte
Menschen. Sie merken offensichtlich nicht, daß sie damit eine
Aussage über Häufigkeiten machen, daß sie nämlich
behaupten, daß unter den wasserzeichen-betonten Menschen
Gefühlsbetontheit häufiger vorkomme als unter den
luftzeichen-betonten Menschen. Und das ist eine statistische
Aussage! Und diese Aussage ist entweder wahr oder nicht:
Wenn ich mich mit solchen Aussagen auf das Feld der
Statistik begebe, dann muß ich mich auch mit ihrem Maß
messen lassen! Es mag ja sein, daß die wissenschaftlichen und
speziell statistischen Methoden nicht angemessen sind, um die
Astrologie zu überprüfen: Sie sind allerdings durchaus
angemessen, um die Behauptungen von Astrologen, so wie sie
in Lehrbüchern und in Astrologie-Kursen verbreitet werden,
zu überprüfen. Es hilft uns wenig, wenn wir diese Probleme
wegdiskutieren, einfach vom Tisch wischen, ihre Existenz
leugnen. |
Wir versuchen, uns mit Ausreden aus unseren
Problemen herauszuwinden, beschönigen unser Scheitern,
finden im Nachhinein tausend Erklärungen dafür - statt etwas
über unsere Astrologie zu lernen, indem wir uns ihnen stellen.
Ich kann gut verstehen, wenn manche unserer Kolleginnen
und Kollegen sich für diese Fragen nicht interessieren: Man
kann ein guter Astrologe sein, ohne etwas von
wissenschaftlichen Methoden und von Statistik zu verstehen. -
Nur sollte man sich dann zu solchen Fragen auch nicht
äußern!
Wir Astrologen beklagen immer wieder, daß Wissenschaftler
sich zur Astrologie äußern, ohne etwas davon zu verstehen.
Wir nennen es zu Recht einen Skandal, wenn Wissenschaftler
sich ein Urteil über die Astrologie erlauben, ohne Kenntnis
der Details zu haben, wenn ihre Kenntnis der Astrologie sich
auf Halbwissen und Vorurteil gründet. Weniger kritisch sind
wir, wenn Astrologen sich zu wissenschaftlichen Methoden
und deren Angemessenheit oder Unangemessenheit äußern,
ohne etwas davon zu verstehen, wenn ihre Kenntnis der
wissenschaftlichen und speziell statistischen Methoden mehr
auf Vorurteilen und Halbwissen basiert als auf fundierter
Sachkenntnis. |
Aber eigentlich ist auch dies ein Skandal.
Zurück zu dem Gedanken, auf den mich das Wolken-
Erkennungs-Spiel brachte: Um diesen Gedanken verständlich
zu machen, ohne mich in dieser frühen Morgenstunde in allzu
abstrakte (und für Sie vermutlich langweilige)
wissenschaftliche Argumentation zu verlieren, soll ein
Gleichnis mir helfen (von Gleichnissen verstehen wir
Astrologen schließlich etwas, sozusagen von Berufs wegen).
Die Art, wie wir Astrologen mit der Astrologie umgehen,
erinnert mich immer wieder an das Märchen von
Schneewittchen. - Sie erinnern sich? Schneewittchen ist eine
schöne Prinzessin. Ihre Stiefmutter, die Königin, selbst eine
schöne Frau, hat Angst, ihre Stieftochter Schneewittchen
könnte eines Tages schöner sein als sie selbst. Sie besitzt einen
Zauberspiegel, der immer die Wahrheit sagt. Soweit man aus
der Geschichte entnehmen kann, nutzt die Königin diesen
fantastischen Spiegel aber nur zur immer wieder neuen
Bestätigung ihrer eigenen Schönheit: "Spieglein, Spieglein an
der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land?" fragt sie.
Was könnte man einem solchen Spiegel alles für interessante
Fragen stellen? |
||
weiter zurück zur Textübersicht zur Startseite |
||||
Ich habe diese einseitige Verwendung des
Spiegels schon als Kind für eine Art von Verschwendung oder
Mißbrauch gehalten. Es kam mir ähnlich unverständlich vor,
wie wenn man das Telefon ausschließlich dazu benutzen
würde, um über die Nummer 119 immer die genaue Zeit zu
erfahren. Doch es kamen mir auch damals schon Zweifel an
meinem eigenen Unverständnis: Wenn nun die Frage, ob sie
die Schönste im ganzen Land sei, für die Königin nun einmal
die wichtigste Frage in ihrem Leben war, war es nicht sehr
verständlich, den Spiegel primär oder vielleicht sogar
ausschließlich zur Beantwortung dieser Frage zu benutzen?
Ich entschied mich, daß man ihr eigentlich keinen Vorwurf
machen könne.
Nein, einen Vorwurf kann man Menschen nicht dafür
machen, daß sie sich darüber täuschen, wonach sie sich in
ihrem Innersten wirklich sehnen,
daß sie der Erfüllung von der Mode oder dem Zeitgeist
diktierter Bedürfnisse nachjagen,
daß sie Freude mit Vergnügen verwechseln,
Glück mit Wohlergehen,
die Sehnsucht nach Souveränität und Autonomie mit der Gier
nach Macht
oder umgekehrt, die Sehnsucht nach Transzendenz der
eigenen Ich-Grenzen mit Willenlosigkeit oder Masochismus,
die Sehnsucht schließlich nach dem Eigebettet-Sein in eine
kosmische Ordnung mit einem transzendenten
Determinismus (genannt: "Das Gesetz von Ursache und
Wirkung"), |
der das starre mechanistische Weltbild des 19.
Jhd.s, noch dazu in derselben Sprache, auch auf das Jenseits
ausweitet.
Es ist ihnen auch kein Vorwurf daraus zu machen, daß sie
ihren Verstand, dieses Wunder der Natur, dazu benutzen, um
Maschinen zu erfinden, mit denen sie sich gegenseitig
umbringen.
Doch wenn man sich das alles einmal mit einem Schritt
Abstand ansieht, dann stockt einem der Atem.
Zurück zu Schneewittchen und ihrer Stiefmutter. Sie wissen,
wie das Märchen ausgeht: Die Versuche der Königin,
Schneewittchen aus dem Wege zu räumen, scheitern. Das muß
einfach so sein, auch wenn es unrealistisch ist: Märchen sind
ohnehin schon eine harte Kost. Ein Happy-End ist das
Mindeste, damit die Kinder nach dem Märchen auch schlafen
können ...
Uns soll an diesem Märchen hauptsächlich der Spiegel
interessieren: Im Märchen wird behauptet, er sage immer die
Wahrheit. Schauen wir uns einmal an, welche Art von
Wahrheit er denn verkündet. Er behauptet, daß ein
bestimmtes menschliches Wesen schöner sei als ein anderes
menschliches Wesen. Objektiv schöner. Und zwar tausend
mal. Er begnügt sich nicht damit zu behaupten, daß der
König oder der Prinz oder das Volk die Prinzessin schöner
fände, er erschrickt die Königin mit der Feststellung, daß die
Prinzessin schöner sei. |
"Meine Güte", höre ich Aufschreie des Entsetzens, "wenn
man so mit Märchen umgeht - das ist die falsche Ebene!"
Ja, ja, das ist eben die falsche Ebene. Und bei den Märchen ist
es uns auch klar, daß wir ihre Botschaft nicht als "Quelle
verläßlicher Informationen" mißverstehen dürfen, es ist uns
klar, daß die Bilder, in denen sie zu uns sprechen, Analogien
sind.
In der Astrologie scheint dieses Wissen uns, trotz gegenteiliger
Beteuerungen, aber verloren gegangen zu sein. Immer wieder
erfinden die Kreativen unter unseren Kollegen neue
Methoden und scharen Anhänger um sich. Begründet wird das
damit, daß die "alten Methoden" sich als wenig erfolgreich
herausgestellt hätten, nicht funktionieren würden, überholt
seien. Den Wissenschaftlern gegenüber behaupten wir, man
könne auf rationale Weise Astrologie nicht widerlegen.
Innerhalb der Astrologie scheint es, im Gegensatz dazu,
möglich zu sein: Wenn behauptet wird, daß die "alten
Methoden" nicht funktionieren, dann handelt es sich doch
wohl um eine rationale Widerlegung einer bestimmten
astrologischen Arbeitsweise (rational deshalb, weil damit
argumentiert wird, daß die alten Methoden nicht
funktionieren). |
||
weiter zurück zur Textübersicht zur Startseite |
||||
Und im Gegensatz zu allen Beteurungen den
Wissenschaftlern gegenüber, wird damit gleichzeitig behauptet,
daß die Methoden eigentlich funktionieren müßten! - Dies ist
ein typisches Beispiel für die in der Astrologie so zahlreichen
Widersprüche.
Kann ein Märchen "falsch sein"? Kann eine Analogie, ein
Gleichnis nicht funktionieren? Welche Art von "Wahrheit"
ist die astrologische Warheit? Welche Art von Spiegel ist das
Horo-skop?
Die Klientin war zu mir gekommen, um in einen besonderen
Spiegel zu schauen, das Horo-skop (von hora: die Stunde, und
skopein: schauen). Das Horoskop sagt ja auch immer die
Wahrheit, oder? Geht es nach manchen unserer Kolleginnen
und Kollegen, dann sagt die Stunde der Geburt in jedem Fall
die Wahrheit, sei die Geburt medikamentös eingeleitet, sei der
Termin für einen Kaiserschnitt vom operierenden Arzt
willkürlich auf 11.30 Uhr vormittags festgelegt, sei ein Unfall
Ursache einer Frühgeburt. Das Kind sucht sich nach Meinung
dieser Kolleginnen und Kollegen in seiner vorgeburtlichen
Existenz den Zeitpunkt der Geburt aus - und, anders als sonst
im Leben, kann bei dieser Wahl nichts schiefgehen, Fehler
sind ausgeschlossen, Willkür, Dazwischenfunken höherer
Mächte oder des sog. Zufalls, Pannen oder Störungen jeglicher
Art kommen in dieser jenseitigen Welt nicht vor. |
Wie können wir uns der "Wahrheit" des Horoskops nähern.
Ich möchte es auf zwei Weisen tun, so wie Sebastian und ich
in derselben Wolke zwei verschiedene Gestalten "gesehen"
haben. Zunächst möchte ich einen kleinen Ausflug machen
und uns sensibilisieren für den Unterschied zweier
Erkenntnisformen: Dem "Wissen" und der "Weisheit".
Der Begriff Weisheit ist mit vielen Klischees verbunden. Aus
dem Munde mancher Menschen riecht er leicht abgestanden,
atmet etwas vom Pathos moralischer Untadeligkeit und
Achtung vor dem Alter. Nicht, daß ich etwas dagegen hätte,
Menschen zu achten, schon gar nicht etwas dagegen, alte
Menschen zu achten. Ich bevorzuge es jedoch, daß wir alle
Menschen gleichermaßen achten ...
Gibt es eine Möglichkeit, den Begriff der Weisheit vom Ballast
pathetischer Assoziationen zu befreien, das, was er im Kern
meint, jedoch zu bewahren? Ich möchte zeigen, daß dies
möglich ist, und daß ein so verstandener Begriff von Weisheit
für die Astrologie eine besondere Bedeutung hat.
Die Assoziation von Weisheit mit Alter scheint, soweit ich das
übersehe, interkulturell zu gelten, Weisheit gilt als seltenes,
und daher besonders wertvolles Attribut kultivierter alter
Menschen. Worin liegt die Berechtigung dieser Assoziation?
Was könnte es alten Menschen leichter machen als jüngeren,
weise zu sein? |
Alte Menschen haben zunächst einmal mehr erlebt als jüngere,
sind, sofern sie ihr Leben bewußt gelebt haben, erfahrener.
Doch Erfahrung allein läßt sich ebensogut zum sog. "alten
Fuchs" assoziieren wie zum alten weisen Mann oder der alten
weisen Frau. Der "alte Fuchs" ist schlau geworden in seinem
Lebem, er kennt viele Tricks, er ist ein Überlebens-Künstler
geworden; er vergeudet seine Kraft nicht mehr in unsinnigen
Projekten wie das Greenhorn, das seine Ungeduld nicht
zähmen kann. Doch wird würden ihn wohl wegen dieser
Fähigkeit nicht weise nennen. Zur Weisheit fehlt etwas.
Mir scheint ein wensentlicher Unterschied darin zu liegen, daß
der Weise andere Ziele verfolgt als der "alte Fuchs". Er hat, als
alter Mensch, einen großen Teil seines Lebens gelebt, hat die
"persönlichen Ziele" weitgehend oder teilweise erreicht oder
aber seinen Frieden damit machen können, daß sie für ihn
nicht erreichbar waren. Im Gegensatz zum schlauen alten
Fuchs, der zwar gelernt hat, seine Ziele effektiver zu erreichen
und vielen Gefahren aus dem Wege zu gehen, der aber
weiterhin nur an seinem eigenen unmittelbaren Wohl
interessiert ist, gehen die Bedürfnisse des Weisen über sein
eigenes unmittelbares Wohl hinaus. |
||
weiter zurück zur Textübersicht zur Startseite |
||||
Der Weise denkt
"umfassender": Normalerweise sind wir beschäftigt mit den
Sorgen um unsere eigene Existenz und die Existenz unserer
Kinder. Der Weise sorgt sich um die Welt als Ganzer.
Die psychologisch interessante Frage ist, was ihn denn dazu
führt. Ist es das Bedürfnis, sich, wo er langsam dem Tode
näher kommt, einen "Fensterplatz im Himmel" zu sichern?
Oder sucht er nach neuen Einsatzfeldern für seine Energie,
nachdem die persönlichen Bedürfnisse erfüllt sind? Will er
genießen, für andere wichtig zu sein und von ihnen respektiert
oder gar geliebt zu werden in seiner Selbstlosigkeit?
Das alles mag sicher im konkreten Fall eine wichtige Rolle
mitspielen. Das Entscheidende scheint mir jedoch etwas
anderes: Von der Begierde nach Erfüllung bestimmter
selbstbezogener Bedürfnisse und drängender Triebe ein wenig
freier als der junge Mensch gelingt es ihm mehr,
Zusammenhänge zu sehen. Er sieht, oder fühlt doch
zumindest (so würde ich sagen), sein Eingebettet-Sein in ein
umfassenderes Ganzes, sei es die menschliche Gemeinschaft
oder, darüber hinausgehend, die Natur, oder, noch
weitergehend, der Kosmos als Ganzer. Er denkt und handelt
ganzheitlicher, holistisch, um einen modernen Ausdruck zu
gebrauchen. |
Weisheit ist also, so, meine ich, sei sie am besten
zu charakterisieren, ganzheitliche Erkenntnis.
Dieser Begriff eignet sich gut, als Schlagwort mißbraucht zu
werden, als Rechtfertigung für Ungenauigkeiten im Denken
und für mangelnde Überzeugungskraft der eigenen
Argumente, wie dies in der esoterischen Szene so häufig der
Fall ist. Ich möchte den Begriff deshalb näher präzisieren, um
dem Mißbrauch vorzubeugen:
Auf der Ebene der Emotionen gibt es eine sehr gute
Entsprechung zu den zwei unterschiedlichen Formen der
Erkenntnis, der ganzheitlich-intuitiven und der rationalen. Die
ganzheitliche Erkenntnis verhält sich zur rationalen
Erkenntnis wie die Liebe zur Begierde (die so häufig
miteinander verwechselt werden): Rationale Erkentnis strebt
"Wissen" an, und mit dem Wort "Wissen" ist z. B. Sicherheit
assoziiert (Gewißheit). Die Sicherheit, daß etwas so und nicht
anders zusammenhängt und/oder funktioniert, erlaubt es uns,
über die Natur zu verfügen. Der Kern des Wissen-Wollens
liegt im Verfügen-Wollen, im Benutzen-Wollen. Im Bereich
der Emotionen entspricht dies der Begierde. Die Begierde ist
auf Erfüllung meiner Bedürfnisse gerichtet, begehren bedeutet
haben, benutzen wollen. |
Das Objekt meiner Begierde, z. B.
der begehrte Mensch, mag sich zwar aufgewertet fühlen durch
mein begehren (es ist lustvoll, begehrenswert zu sein!), doch in
der Begierde denke ich an mein Wohl und nicht an das Wohl
meines "Objekts".
Die ganzheitliche Erkenntnis strebt statt des Wissens Weisheit
an. Der Weise kann manches ahnen, von dem er weiß, daß er
es nicht wissen kann. Er hat Zugang zu seiner "inneren
Stimme". Weisheit ist umfassender, meist aber auch weniger
"nützlich" in einem pragmatischen Sinn. Auf der emotionalen
Ebene entspricht der Weisheit die Liebe. In der Liebe steht
das Wohl meines geliebten "Objektes" (etwa des geliebten
Menschen) im Vordergrund. Im Idealfall will ich den geliebten
Menschen nicht "besitzen", sondern ich will ihn "glücklich
sehen".
Das hört sich selbstlos an und riecht nach Verzicht - doch das
ist ein Mißverständnis.
Liebe ist als Emotion nicht selbstloser als die Begierde. Sie ist
einfach "umfassender", weniger "eng", hat als Ziel nicht
"Sättigung eines Bedürfnisses" sondern "Glücklichsein". Liebe
strebt, wie Weisheit, das "Im-Einklang-Sein" an.
Der Zugang des Weisen zur Erkenntnis ist weniger ein
"Verfügen-Wollen" als ein "Im-Einklang-Sein-Wollen". |
||
weiter zurück zur Textübersicht zur Startseite |
||||
Für
ihn ist der Gegensatz zwischen Egoismus und Altruismus ein
Scheingegensatz, der nur für Menschen besteht, die nicht
spüren können, wie alles mit allem zusammenhängt und
verwoben ist. Ist z. B. derjenige, der um des persönliches
Profits willen einen Teil der Umwelt zerstört, ein Egoist oder
nicht eher ein Dummkopf (ein gefährlicher zwar)? Ist er doch
angewiesen darauf, dieselbe Luft zu atmen und dasselbe
Wasser zu trinken. Und es wäre merkwürdig, wenn es, parallel
zu psychosomatischen Erkrankungen eines Menschen, nicht
auch psychosomatische Erkrankungen der Menschheit gäbe.
In anderen Worten: Neben der mittlerweile allzu augenfälligen
Gefahr chemischer und physikalischer
Umweltverschmutzungen gibt es ebenso seelische, geistige
und soziale. Und diese, oft von den sog. Mächtigen dieser
Welt verursachten, Umweltverschmutzungen wirken auf diese
Menschen ebenso zurück wie die chemischen oder
biochemischen Umweltverschmutzungen auch die
Wirtschaftsbosse treffen, die sie zu verantworten haben.
Wie gehen nun wir Astrologen mit Erkenntnis um? Streben
wir Verfügungswissen oder Weisheit an?
Wir schimpfen auf die Einseitigkeit der modernen
Wissenschaften und ihrer Vertreter, der Wissenschaftler,
gehen aber unsererseits mit der Astrologie in gleicher Weise
um, stellen dieselbe Art von Fragen und erwarten dieselbe Art
von Antworten. |
Astrologie ist für uns einfach ein weiteres
Instrument, um uns die Erde untertan zu machen. Wir
versuchen, mit Hilfe der Astrologie pragmatisch relevantes
Wissen zu erlangen, Verfügungswissen. Die
Wirtschaftsastrologen wollen z. B. "günstige Zeitpunkte" für
Investitionen ermitteln. Mit "günstig" meinen Sie dabei nicht
etwa das, was für die entsprechende Region oder die
beteiligten Menschen günstig ist, sondern gemeint ist der
Profit des Fragenden, der sie bezahlt.
Ich bin überzeugt, daß wir die "Pattsituation" zwischen
Gegnern und Befürwortern der Astrologie solange nicht
werden beenden können, solange wir nicht verstehen, daß das
Horoskop Ausdruck der "Harmonie des Ganzen" ist und
daher auch nur im Hinblick auf dieses Ganze angemessen
interpretiert werden kann. Astrologie bietet dem Suchenden
nicht so sehr Wissen als vielmehr Weisheit; aus dem
Horoskop lassen sich Empfehlungen für das "richtige" (im
Sinne von: das "gute", ein "glückliches") Leben ableiten, nicht
aber Ratschläge für den besten Zeitpunkt für Investitionen,
wenn unter dem "besten Zeitpunkt" derjenige verstanden
wird, der für den Fragenden den meisten Profit abwirft.
Wir Menschen sind, daß wird uns mit wachsendem
Umweltbewußtsein immer deutlicher, wie die Zellen unseres
Organismus in einem interdependenten System, wo das Wohl
des einen vom Wohl des anderen nicht klar zu trennen ist. |
Das
Horoskop sagt m. E. etwas über meinen "Ort" im Kosmos,
über mich als Teil des Ganzen. "Gut" kann in dieser Hinsicht
nur bedeuten, im Hinblick auf dieses Ganze an der richtigen
Stelle zu stehen und entsprechend zu handeln. Meine
persönliche Gesundheit und die "Gesundheit" des Ganzen
sind nicht nur chemisch und im engeren Sinne biologisch aufs
engste miteinander verknüpft. Darum weiß oder dies ahnt der
Weise, und, was noch wichtiger ist: das macht den Unterschied
in seinem Handeln aus. Viele von uns, und dabei denke ich
auch an mich, wären für ihr Alter schon recht weise, wenn es
nur um die Einsicht ginge ...
Unsere Astrologie ist aber noch gar nicht wirklich dieser
Funktion entsprechend formuliert. Im Gegenteil: Den
typischen Fragen der die Astrologie benutzenden Menschen,
der die Astrologen konsultierenden Klienten gemäß, sind die
Bedeutungen der astrologischen Symbole individualistisch
formuliert, stellen, im Gegensatz etwa zu den Deutungen des I
Ging, nicht den Bezug zum Ganzen her. Im besten Fall sind
sie als psychologische Merkmale einer Person formuliert. Und
das, was wir Astrologen unseren Klienten versprechen, bezieht
sich auf ihr individuelles Bedürfnis, gesund zu sein, glücklich
zu sein, Erfolg zu haben, selbstverwirklicht zu sein usw. |
||
weiter zurück zur Textübersicht zur Startseite |
||||
Astrologie ist der Ausdruck der Verwobenheit des Einzelnen
in das Ganze unseres Sonnensystems oder des Kosmos. Und
wenn das wahr ist, dann machen astrologische Deutungen
auch nur in diesem Kontext Sinn.
Und nun lassen Sie uns dieselbe Wolke noch auf eine andere
Art anschauen, dasselbe Thema noch von einer anderen Seite
beleuchten. Unsere Frage ist immer noch: In welcher Weise
und über welchen Aspekt der Realität sagt das Horoskop
etwas aus?
Wenn wir von "Erfahrung" sprechen, wenn wir Regeln
formulieren wie in den Lehrbüchern, dann machen wir
implizit, auch wenn es anders formuliert ist, eine Aussage über
Häufigkeiten, wie ich das zu Beginn, so hoffe ich:
überzeugend, gezeigt habe.
Wenn wir Astrologen "Erfahrungssätze" aussprechen, dann
tun wir das meist in der Form: "Diese oder jene Konstellation
hat mit diesem oder jenem Merkmal zu tun." Wenn Astrologie
überprüft wird, dann wird meist geprüft, ob solche
Erfahrungssätze stimmen, ob die entsprechende Konstellation
auch, wie behauptet, in einer Gruppe von Menschen mit dem
dazugehörenden Merkmal wirklich häufiger auftritt. Eine
andere, häufig benutzte Weise, Astrologie zu überprüfen,
besteht darin, nachzuprüfen, ob die Deutung eines ganzen
Horoskops durch einen (oder mehrere) erfahrene Astrologen
als Ganze stimmt. |
Das kann durch das Urteil des Betreffenden
geprüft werden (er stimmt der Deutung entweder zu oder
nicht) oder durch den Vergleich der Deutung mit
psychologischen Tests oder der Meinung von Freunden,
Verwandten usw. und schließlich kann es durch den Vergleich
der Deutung mit der Biografie des Horoskopeigners geprüft
werden.
Und wie wir solche Untersuchungen auch anlegen: sie
scheitern (fast) immer.
Was ist an der Beratungssituation, in der wir, im Gegensatz
dazu, meist erfolgreich sind, eigentlich anders? Wie ist es
erklärbar, daß wir dort nicht scheitern?
Meine These ist: Unsere Interpretation des Horoskops ist eine
Art "Gleichnis", seine Wirkung beruht auf Analogieschlüssen.
In dem Bereich unserer Kultur, den wir "Kunst" nennen, sind
Gleichnisse eine zentrale Dimension: Wenn der kleine
vorpubertäre Mozart bereits eine Oper komponiert und
während der Arbeit seinen Vater fragt, was denn Leidenschaft
sei, weil er ohne dieses Wissen die entsprechende Passage des
Librettos nicht angemessen vertonen kann, dann wird
deutlich, daß die Musik "analog" zu den Gefühlen sein soll.
Wenn Kabarettisten in totalitären Staaten mit Zensur die
Kritik an den Mächtigen so geschickt verpacken, daß der
Zensor sie nicht bemerkt, das intelligente Publikum aber sehr
wohl, dann werden gesellschaftliche Zustände gleichnishaft in
einem Sketch dargestellt und können, symbolisch,
gebrandmarkt werden. |
Gleichnisse haben eine ungeheure
Macht und sind weit davon entfernt, ohne realen Bezug zu
sein. Doch welcher Instrumente bedürfte es, die
Angemessenheit eines Gleichnisses zu untersuchen?
In der Beratungssituation, behaupte ich, geschieht etwas
Vergleichbares: Ich entwerfe ein Bild, das dem Wesen meines
Klienten "ähnlich" ist.
Wenn jemand, der mit mir zusammen das Wolken-
Erkennungs-Spiel spielt, auch die Gestalt sieht, die ich in der
Wolke sehe, dann erkennt er eine Ähnlichkeit.
Wenn meine These richtig ist, daß das interpretierte Horoskop
ein "Gleichnis" ist, dann wird verständlich, warum Klienten
sich davon tief betroffen fühlen können, die Überprüfung der
"Richtigkeit" solcher Interpretationen aber immer wieder
ausgehen wie das Hornberger Schießen. Dann wird auch die
Frage berechtigt, ob Statistik ein geeignetes Mittel ist, um
"Ähnlichkeiten" aufzuspüren.
Wenn ich in einer Wolkenformation Ähnlichkeiten mit einer
Tiergestalt erkenne, dann gibt es keine Möglichkeit, zu
beweisen, daß diese Ähnlichkeit auch wirklich besteht. Ein
"Beweis" ist nur bei "Gleichheit" möglich, der Beweis verlangt
"Eindeutigkeit". Die ist aber bei der "Ähnlichkeit" gerade
nicht gegeben. |
||
weiter zurück zur Textübersicht zur Startseite |
||||
Ich könnte zwar sehr wohl (wenn auch erst seit
einigen Jahren!!) durch ein Foto der Wolke, aufgenommen aus
meiner Perspektive, und ein entsprechendes
Computerprogramm eine Art Koeffizienten für die
Ähnlichkeit der Wokenform mit einer bestimmten Tiergestalt
errechnen - aber die Festlegung, ab welchem Wert dieser
Koeffizient als "Beweis" angesehen werden kann, ist
Geschmacksache.
Ich kann einen anderen, der mit mir die Wolken betrachtet,
nicht "zwingen", die Ähnlichkeit anzuerkennen, wie ich das
bei einem Beweis könnte. Der Mitmensch neben mir muß
"bereit sein, sich auf meine Sichtweise einzulassen", wenn er
die Ähnlichkeit erkennen will. Er muß also gerade ein Stück
weit "unkritisch" sein, wenn er sehen will, was ich sehe.
Dennoch ist diese Ähnlichkeit nicht einfach
"Einbildung", wie das Beispiel des berechenbaren
Koeffizienten ja deutlich macht.
Der Klient in der Beratungssituation ist nun jemand, der sich
bemüht zu erkennen, was ich ihm zeigen will. Er hat
schließlich genug Geld dafür bezahlt. Der eine Astrologe sieht
in seinem Wesen einen Delphin auf einem Motorrad. Und
wenn sich der Klient ein wenig bemüht, dann kann er das
auch sehen. Ein anderer Astrologe sieht in seinem Wesen eine
stromlinienförmiges Kamel im Galopp - und wenn sich der
Klient bemüht, dann kann er auch das erkennen. |
Ähnlichkeit läßt sich in viele Bilder fassen, nur sehr wenige
sind wirklich total falsch. Für kritische Spötter, die das Spiel
nicht verstehen, gibt es viel zu lachen: Was könnte
unterschiedlicher sein als ein Delphin und ein Kamel.
"Nichteinmal zwischen Tieren mit Beinen und Fischen
können diese dummen Astrologen unterscheiden ..."
Eine Wolke kann einem Tier gleichen: Aber nur von der
Form her!
Ein Horoskop gleicht, wenn wir Astrologen recht haben, dem
Wesen eines Menschen: aber bezüglich welcher Dimension?
Das Wesen eines Menschen ist nicht visuell wahrnehmbar.
Was bedeutet "Ähnlichkeit", wenn wir von Wesenszügen
sprechen?
Wir betreten hier, ohne daß die Grenze deutlich spürbar wäre,
ein Gebiet, über das wir sehr wenig wissen: Wie Menschen
(Organismen überhaupt) Ähnlichkeiten wahrnehmen
(Ähnlichkeiten der Form, Ähnlichkeiten in der Musik,
Ähnlichkeiten im Charakter von Menschen -etwa
verschiedener Nationalitäten- oder so komplexe Dimensionen
wie die Ähnlichkeit unterschiedlicher Kulturen), wie solche
Ähnlichkeiten wahrgenommen werden (bzw. wann sich der
Eindruck von Ähnlichkeit einstellt) ist unerforscht,
wissenschaftliches Neuland. Es dürfte schwierig sein,
wissenschaftlich überhaupt zu bestimmen, was unter "ähnlich"
präzise verstanden werden soll (spüren Sie die Paradoxie in
der Notwendigkeit, Ähnlichkeit präzise zu definieren?) |
Es wird sehr oft von einem Paradigmenwechsel gesprochen,
der notwendig ist, wenn Astrologie und, neben ihr, viele
andere komplexe Gebiete, angemessen wissenschaftlich sollen
untersucht werden können: für diesen Paradigmenwechsel
wird, so ahne ich, der Verlust eines Eckpfeilers des heutigen
Verständnisses von Wissenschaft (von "Wissen" überhaupt)
charakteristisch sein, der Eindeutigkeit.
Wissenschaft, wie wir sie heute verstehen, verdankt ihre
Erfolge ihrem Bemühen um Präzision (insbesondere Präzision
in ihren Begriffen). Sie hat mit diesen präzisen Begriffen ein
Netz geschaffen, mit dem sie große Fische aus dem Meer
möglicher Erkenntnis fischen konnte. In ihrem fortwährenden
Bemühen wurde dieses Netz immer feiner geknüpft, und
immer mehr Arten von Fischen gingen in das Netz. Aber wie
sehr sich die Wissenschaftler auch bemühen: Mit dem
Netzwerk aus präzisen Begriffen läßt sich das "Unbestimmte"
nicht fangen, so wie Stoffe, die in Wasser gelöst sind, mit dem
feinsten Netz nicht zu fischen wären.
Aber welchen Wert könnte "das Unbestimmte" auch haben?
Man kann damit mit Sicherheit keine Autos bauen, man wird
nicht zum Mond fliegen können. |
||
Ich frage mich, ob Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen,
bereit sind, Ihren Anspruch so weit zurückzunehmen, sich zu
bescheiden damit, daß die Interpretation des Horoskops "nur"
ein Gleichnis darstellt, einzugestehen, daß all die Versuche in
den letzten Jahrhunderten und Jahrtausenden (bis hin zur
Bibliothek des babylonischen Königs Ashurbanipal), den Lauf
der Gestirne mit "Fakten" zu korrelieren (Zuordnung von
Krankheiten zu Konstellationen, von Lebensdaten zu Solaren,
Direktionen, Septaren oder Alterspunkten, von Berufen,
sexuellen Präferenzen oder Charaktermerkmalen zu
Konstellationen des Geburtshoroskops), daß all diese
Versuche an der Sache vorbeigingen.
Wahrscheinlich brauchen wir ganz neue Methoden, wenn wir
Astrologie prüfen wollen: Methoden, von denen in den
Geisteswissenschaften schon eine ganze Reihe entwickelt
wurden und uns zur Verfügung stehen. Wir haben sie bisher
nicht benutzt, weil wir uns von dem Vorurteil nicht lösen
konnten, daß das Horoskop mit dem realen Leben in einer
direkten Beziehung steht (in der Prognose z. B. zumindest sog.
"Tendenzen" erkannt werden können). |
||||
zurück zur Textübersicht zur Startseite |